Heunetze – nur der richtige Einsatz bringt’s!
Für viele kranke Pferde war die Einführung der Heunetze die Rettung – und ein wahrer Siegeszug der Netze begann. Heute sind sie in allen möglichen Ausführungen und Preislagen erhältlich. Neben den Netzen wurden viele weitere „Geräte" oder netzähnliche Produkte entwickelt, wie beispielsweise das Heutoy oder auch der Automat von HorseGraze – alle mit den Zielen
- Beschäftigung
- Vermeidung des Heu-Vertretens
- sorgfältige Aufnahme und Kauen, also
- Verhindern des Schlingens, das Schlundverstopfungen und Probleme im Magen-Darm-Trakt verursachen kann.
Mittlerweile ist auch bekannt, dass die Heunetze ganz bewusst und individuell eingesetzt werden müssen – gelingt dies, bieten sie Vorteile für Pferd und Halter. Andernfalls sind verschiedene, gravierende Probleme bei den Pferden die Folge.
In diesem Artikel reiße ich die Folgen eines falschen Einsatzes von Heunetzen für den Verdauungstrakt sowie Muskeln, Sehnen und Gelenke an, sowie die Auswirkungen der unterschiedlichen Fütterungsmethoden auf das Kauverhalten und somit das Gebiss des Pferdes.
Was kann bei falschem Einsatz von Heunetzen passieren?
Die häufigsten Fehler sind:
- Maschen zu klein für die Größe und den Energiebedarf des Pferdes
- Ungeeignete Anbringung in der Höhe
Zu geringe Maschenweite
Bei zu geringer Maschenweite kann das Pferd – neben Folgeproblemen mit der Muskulatur und in einigen Gelenken – buchstäblich vor dem Netz verhungern und Schädigungen im Verdauungstrakt erleiden.
Stellen wir uns folgendes Beispiel vor:
- Warmblüter (ca. 165 cm Stockmaß) mit hohem Energiebedarf (evtl. durch Blutprägung)
- gut gefülltes Netz mit 3 cm Maschenweite in einer Kiste – die Zupfhöhe liegt zwischen Höhe Karpalgelenk und kurz über dem Fesselgelenk des Pferdes
- Das Netz ist gefüllt mit langhalmigem, hartfaserigem Heu – also eigentlich eine sehr gute Qualität
- 1 x täglich wird Kraftfutter gegeben
Hier liegt der Hauptfehler in der Maschenweite. Das Pferd muss große Anstrengungen unternehmen, um auf seine benötigte Rauhfuttermenge zu kommen – in Kombination mit der
beschriebenen Zupfhöhe passiert folgendes:
Was passiert im Verdauungstrakt?
Die wenigen Halme, die das Pferd je Rupfbewegung zupfen kann, werden aus dem Drang heraus, ein Sättigungsgefühl zu erreichen, ungenügend zerschlagen.
Auf 5 – 6 Rupfbewegungen kommen nach Beobachtungen nur wenige Kauschläge. Diese wenigen, grob zerschlagenen Halme gelangen nun mit wenig Speichel in den Magen. Die
Bauchspeicheldrüse steigert ihre Aktivität – in Erwartung der Futtermenge, die jedoch deutlich geringer ausfällt. Passiert dies über einen längeren Zeitraum, kann eine Überlastung der Pankreas die Folge sein.
Bei einigen Pferden wird sich die Bauchspeicheldrüse auf die geringen Futtermengen einstellen und die Arbeit reduzieren – was dann zu Irritationen bei der Gabe des Kraftfutters führt.
Die geringe Futtermenge hat auch Folgen für den Darm – er wird sozusagen unterfordert, je nach individueller Situation des Pferdes kommt es zu Fehlgärungen und zu Fehlbesiedlungen in der Darmflora, was durchaus zur Kolik führen kann. Eindeutig jedoch führt diese Situation zur Fehl- oder gar Mangelernährung.
Ungeeignete Anbringung in der Höhe – zu hohe Platzierung des Futters
Bitte stellen Sie sich folgende Situation vor:
Platzierung eines Rundballens auf einer Platte, die sich etwa auf Höhe des Karpalgelenkes befindet, das Ganze überzogen mit einem Netz mit 3 cm Maschenweite. Oberste Rupfhöhe
etwa bei 2,20 m.
Oder aber: Platzierung eines Heunetzsackes an einem Band auf Kopfhöhe oder höher, draußen oder in der Box, mit geeigneter Maschenweite langhalmiges Heu.
Was passiert im Verdauungstrakt?
Auch hier kommt es auf die Maschenweite an. Kann das Pferd mit ein oder zwei Zupfbewegungen ein Maul voll Heu gewinnen, senkt es den Kopf zum Kauen auf normale Höhe. Das ist noch in Ordnung, aber nicht optimal. Ist die Maschenweite zu eng, wird konstant auf der unpassenden Höhe gezupft und ebenfalls nur halb zerschlagen. Die Folgen halb zerschlagener Nahrung habe ich Ihnen bereits vorher beschrieben. Nicht außer Acht zu lassen ist, dass bei dieser Art zu fressen mehr Staub und Heukleinteile ins Maul und in die Lunge gelangen – sie werden sozusagen direkt eingeatmet. Für die Lunge kann dies sehr unangenehme Folgen haben und die häufigste ist ein undefinierbarer Hustenreiz. Können Teilchen nicht eigenständig über die Schleimhäute und Abhusten aus der Lunge entfernt werden, kann es zu Entzündungen mit schwer zu diagnostizierender Ursache kommen.
Magen und Darm müssen sich in dieser Situation gezwungenermaßen mit dem Mehr an Staub und Kleinstteilen auseinandersetzen, die bei der optimalen Fressposition sicher so nicht in den Pferdemagen gelangen würden. Allein aus diesem Umstand sind für Magen und Darm keine wirklichen Konsequenzen zu erwarten, allerdings hemmen die sich aus dem „über Kopf fressen" entwickelnden Kompensationsmuster in der Körperhaltung die Darm-Peristaltik!
Bewegungsapparat – welche Kompensationsmuster sind die Folge?
Je nach Situation muss das Pferd das Heu also mit hohem Kraftaufwand aus dem Netz rupfen. Durch diese „vor und zurück!"-Bewegung mit dem Kopf kommt es immer wieder zu einer Stauchung in den Kopfgelenken und Verspannungen in der Nackenmuskulatur. Beim „Fressen über Kopf", das wir durchaus auch in der Natur beim Abernten von Bäumen beobachten, muss das Pferd ständig die Unterhalsmuskulatur anspannen, welche wir eigentlich nicht trainieren wollen. Um mehr Stabilität zu bekommen drücken die Pferde in beiden Situationen ihre Vordergliedmaßen in den Boden. Die Beinstrecker sind somit stets angespannt, was unwillkürliche Reflexsteuerung im Rückenmark zur Folge hat, so dass die Bein- und Rumpfbeuger entspannt sind.
Entspannt aber nicht im positiven Sinne, denn ein lockerer, in diesem Fall sagt man „gehemmter", Muskel kann auch keine Haltearbeit leisten, wodurch sich der Thoraxbereich nach unten absenken kann.
Weiterhin kommt es zu einem ähnlichen Phänomen, wie es beim Reiten sichtbar wird, wenn man „mit Unterhals reitet". Das Pferd drückt den Rücken nach unten weg, was bedeutet, dass sich die Dornfortsätze der Wirbelsäule annähern. Die Wirbelsäule beginnt die Tendenz zu einem Senkrücken zu bilden.
Unterstützt wird diese Absenkung des Thorax durch die zuvor beschriebene reflektorische Muskelhemmung. Um dieser unangenehmen Stellung entgegen zu wirken, nutzen die Pferde nach einiger Zeit den Hebel über ihr Becken und die Hinterhand. Die langen Sitzbeinmuskeln, auch Hosenbeinmuskeln genannt, versuchen durch ihren Zug das Becken aufzukippen und somit die Wirbelsäule von hinten aus anzuheben.
Man sieht deutlich die vermehrte Spannung in dieser Muskelgruppe. Viele Pferde entwickeln noch eine weitere, zusätzliche Kompensation, indem sie die Hintergliedmaßen weiter unter den Schwerpunkt (nach vorn) stellen, um so die Wirbelsäule über die Hintergliedmaße zu entlasten. Dadurch kommt es jedoch zu einer Sehnen- und Huffehlbelastung, da der Hauptbelastungspunkt sich nun auf die Trachten verlagert. Durch diese Fehlbelastung verändert sich natürlich das Hufbild: Die Trachten werden untergeschoben und die Zehen werden schnell zu lang.
Als Folge sieht man in der Bewegung ein verändertes Gangbild: Die Pferde fußen schlechter ab und sind gezwungen, das Bein in einem höheren Bogen nach vorne zu führen. Sind Sie schon einmal mit Taucherflossen an den Füßen gelaufen? Eine schwierige Angelegenheit – und genau so fühlt sich diese Hufstellung für die Pferde an. Man kann sich die resultierenden Probleme in den verschiedenen Gangarten vorstellen,
Hinweis:
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wenn die korrigierende Hufbearbeitung fehlt oder das Intervall der Hufbearbeitung zu lang ist.
Die Folgen der hier genannten Kompensationen können sein: Mangelnde Mitarbeit oder gar Verweigerungen des Pferdes beim Reiten ohne erkennbare Ursache Probleme mit Stellen und Biegen Probleme mit der Versammlung Die Ursache könnte tatsächlich darin liegen, dass das Pferd zwar gut geritten wird, allerdings nun mal die meiste Zeit am Tag damit beschäftigt ist, an seinem unpassenden Heunetz zu rupfen.
Grundsätzlich sind Heunetze eine wunderbare Beschäftigung für Pferde und eine enorme Hilfe für die meisten chronisch Stoffwechselkranken. Sie befreien von der Fressbremse und bieten eine artgerechtere Lösung als die Heumahlzeiten. Ihr Pferd ist mit dem Heunetz nicht klargekommen? Prüfen Sie doch einfach mal anhand der genannten Argumente, was an der Installation für Ihr Pferd möglicherweise ungeeignet war – und starten Sie einen neuen Versuch.
Quellen:
Jessica Bastian, Osteopathie für Menschund Pferd
Franziska Böhmer, Ernährungsberatung für Hund und Pferd
artgerecht-tier Ausgabe Nr.8 Jui 2013